Die Übung ist sehr einfach: Eine Person beginnt und fragt: „Wer außer mir …?“. Sie beendet die Frage mit etwas, das auf sie selbst zutrifft, zum Beispiel: „Wer außer mir ist auch ein bisschen nervös wegen unserer bevorstehenden Aktion?“, oder „Wer außer mir hat ein Kind oder ein Enkelkind?“, oder „Wer außer mir fühlt sich entschlossener denn je, den Klimawandel zu bekämpfen?“
Falls der Satz auf andere zutrifft, reagieren sie darauf, z. B. indem sie eine Hand heben, aufstehen, eine Geste oder ein Geräusch machen etc. Entscheide dich für etwas, dass der Gruppe deiner Meinung nach am meisten Energie und Motivation gibt und allen ermöglicht, daran teilzunehmen. Dann fragt die nächste Person: „Wer außer mir…?“. Die Teilnehmer*innen lernen immer mehr übereinander und bauen eine Verbindung zueinander auf. Gib der Gruppe einen Augenblick Zeit um zu sehen, wer im Raum auf die jeweilige Frage reagiert.
Manchmal ist es hilfreich, am Anfang Beispiele zu nennen und so zu zeigen, welche Art von Sätzen du meinst, sofern du eine bestimmte Stimmung herstellen willst. (Wenn du bspw. möchtest, dass die Teilnehmer*innen ihre Gefühle über das Training ausdrücken, könntest du folgende Beispiele vorgeben: „Wer außer mir ist aufgeregt, hier zu sein?“, „Wer außer mir vermisst ihre*seine Familie oder Freund*innen, die sie zuhause gelassen haben, um hierher zu kommen?“ oder „Wer außer mir ist nervös darüber, neue Menschen kennenzulernen?“ etc.)
Als Trainer*in kannst du diese Gelegenheit auch dazu nutzen, mehr über die Gruppe zu erfahren und darüber, was die Teilnehmer*innen zu Beginn des Trainings denken oder auf dem Herzen haben.
Hier ein Beispiel für die Anwendung der Methode mit folgendem Kontext: Eine Gruppe aus acht Personen arbeitet an einer Kampagne, um ihre Nachbarschaft zu schützen. Die Personen kannten sich bis dahin noch nicht.
Ich hatte die Idee einer Vorstellungsrunde verworfen. Die Gruppe war zu groß, somit wäre eine derart lange Runde extrem langweilig gewesen. Trotzdem wollte ich dem Bedürfnis der Leute nachkommen, die wissen wollten, wer alles im Raum versammelt war. Jede Gruppe hat am Anfang dieselbe Sorge und ich wollte sie so angehen, dass ein Gefühl von Sicherheit entsteht.
Ich begann schnell mit der Aktivität: „Steh auf, wenn du kein Morgenmensch bist.“ Ich stand auf und ermutigte so die anderen, auf die der Satz zutraf, aufzustehen – viele von ihnen hatten noch ihre Kaffeetasse in der Hand. „Ok, jetzt setzen wir uns wieder hin und jemand anderes macht weiter, indem sie*er etwas sagt, das auf sie*ihn zutrifft.“
Die Teilnehmer*innen griffen das Thema vorsichtig auf. „Steh auf, wenn du ein Morgenmensch bist.“ Die andere Hälfte der Gruppe stand auf. „Steh auf, wenn du irgendwie gerne draußen in der Sonne wärst.“ Einige fingen an zu lachen und die meisten in der Gruppe – ich eingeschlossen – standen auf.
Es überraschte mich nicht, dass die Gruppe sich schnell dem gemeinsamen Anliegen zuwandte. „Steh auf, wenn du seit mehr als zwanzig Jahren in deinem Haus wohnst.“ Mehr als ein Viertel der Personen im Raum stand auf. Eine ältere Frau war als nächste dran: „Steh auf, wenn deine Familie seit mehr als zwei Generationen in eurem Haus wohnt.“ Ein Dutzend Leute standen auf. Ein Mann mittleren Alters stand als nächster auf: „Steh auf, wenn du während der gesamten Ferienzeit ängstlich und besorgt angesichts der Pläne der Stadtentwickler zur Zerstörung unserer Nachbarschaft warst.“ Mit lauten Rufen standen die meisten Teilnehmer*innen auf. Die nächsten Minuten blieben die Menschen buchstäblich aus Solidarität miteinander stehen und teilten eine Bandbreite von Gefühlen: Angst, Niederlage, Hoffnung, Nervosität, Aufregung und Wut.
Als sich alle wieder hinsetzten, scherzte eine Person: „Ich bin also nicht allein!“ Als die Gruppe lachte, bemerkte ich, wie verkrampfte Schultern sich entspannten. Wir hatten ein bisschen Sicherheit geschaffen, ein bisschen Gruppenzusammenhalt, der es den Leuten ermöglichte, ein kleines Risiko einzugehen und sich verletzlich zu machen. So konnten sie feststellen, dass sie nicht allein waren. Nun galt es, noch mehr Sicherheit zu schaffen, um die schwierigen Themen anzugehen, an denen wir arbeiten mussten.