Das Spektrum der Verbündeten

Dies ist ein strategisches Instrument, um die Reichweite sozialer Kräfte und Gruppen zu untersuchen, von den entschiedensten Gegner*innen zu den aktivsten Unterstützer*innen. Es kann offenlegen, wie Taktiken geplant werden müssen, so dass sie wesentliche Partner*innen anziehen (oder nicht). Es ermutigt zu optimistischeren Mobilisierungsanstrengungen, weil deutlich wird, dass man nicht jede*n zu der eigenen Sichtweise bekehren muss. Und es hilft zu prüfen, ob eine Gruppe mehr Recherche zu möglichen Partner*innen betreiben muss.

Dauer: 15-30 Minuten Gruppengröße: 5-50+ Leute

Schritt 1 – Das Konzept erklären

In den meisten Situationen sozialen Wandels gibt es einen Kampf zwischen jenen, die den Wandel wollen und jenen, die ihn nicht wollen. Auf der einen Seite gibt es Menschen, die aktive Unterstützer*innen des Wandels sind – Menschen, die nicht nur an den Wandel glauben, sondern die für ihn aktiv werden. Auf der anderen Seite gibt es jene, die ihn aktiv ablehnen, Menschen, die gegen den Wandel arbeiten.In unserer Arbeit als Aktivist*innen konzentrieren wir uns oft auf diese beiden Gruppen. Aber die meisten Leute sind irgendwo dazwischen angesiedelt. Gesellschaften (Städte, Provinzen etc.) umfassen eine Bandbreite von Gruppen, die auf einem Spektrum angeordnet werden können zwischen jenen, die eurer Sichtweise am nächsten stehen zu jenen, die am weitesten weg sind.

Dieses Spektrum von Verbündeten illustriert diesen Punkt:

spectrum of allies

Das Ziel dieses Spektrums von Partner*innen ist, verschiedene Menschen – oder Gruppen von Menschen – in jeder Kategorie zu unterscheiden und dann Aktionen und Taktiken zu entwerfen, um sie einen Sektor weiter nach links zu bewegen.

 

Schritt 2 ­ – Nutzen dieses Instruments

Die gute Nachricht: In den meisten Kampagnen sozialen Wandels ist es nicht notwendig, den Gegner zu Eurer Sichtweise zu bekehren. Es ist nur nötig, die einzelnen Sektoren einen Schritt in eure Richtung zu verlagern.

Das ist wichtig. Wenn wir jeden Sektor einen Schritt verschieben, werden wir wahrscheinlich gewinnen, selbst wenn die Hardliner auf der anderen Seite sich nicht bewegen. Das bedeutet, dass unser Ziel nicht ist, die Industrie, die fossile Brennstoffe nutzt, davon zu überzeugen, sich selbst abzuschaffen. Stattdessen bewegen wir den Rest der Gesellschaft dazu, sie zu schließen.

Oft machen Aktivist*innen den Fehler zu meinen, dass sie jede*n auf ihre Seite ziehen müssen (was zu Verzweiflung einlädt). Oder dass wir die Industrie der fossilen Brennstoffe verändern müssen oder Menschen, die aktiv für deren Bewahrung kämpfen (was ebenfalls zu Verzweiflung führt). Wenn Organisator*innen eine positive Haltung mitbringen, anstatt hoffnungslos zu sein, dann ist es viel einfacher, Menschen zu mobilisieren und zu gewinnen.

Das Spektrum der Verbündeten erinnert uns auch daran, dass es Raum für viele Rollen gibt. Verschiedene Aktionen werden Menschen an unterschiedlichen Orten in dem Spektrum erreichen. Es gibt viele Wege, eine Kampagne zu unterstützen, von Lobbyarbeit mit Politiker*innen bis zur Demonstration auf der Straße.

Dieses Instrument evaluiert auch unsere Arbeit. Können wir zeigen, dass wir messbar ein Segment von Menschen auf unsere Seite ziehen? Falls nicht, müssen wir unsere Strategie überdenken.

 

Schritt 3 – Füllt das Bild aus

Dieses Instrument ist selbst für Kleingruppen nützlich. Nehmt Euch etwas Zeit, um das Bild mit spezifischen Leuten und Gruppen zu füllen. Achtet darauf, dass ihr spezifisch sein müsst, damit dieses Instrument funktioniert. „Die Öffentlichkeit“ z.B. ist viel zu breit, um erreicht zu werden, und eure Strategie wird deshalb leiden. Stattdessen identifiziert spezifische Gruppen – Gruppen, die eine Telefonnummer oder eine Adresse haben, bei denen ihr an einem Treffen teilnehmen oder eine*n Sprecher*in treffen könntet. Denkt an spezifische Individuen, sowohl solche, die politisch einflussreich sind wie solche, die es sozial sind, wie Älteste und wichtige Persönlichkeiten in einer Gemeinschaft. (Power Mapping – Matrix der Macht)

 

Schritt 4 – Seht euch an, was ihr gelernt habt

Teilt Eure Überlegungen und was ihr gelernt habt, in der ganzen Gruppe. Der Gruppe könnte klar werden, dass sie mehr recherchieren muss. Oder es könnte wichtige, interessante Debatten darum geben, wo Menschen auf dem Spektrum angesiedelt sind.

Andere Lehren schließen ein:

Es ist ein großer Gewinn, wenn ihr eine Gruppe, die leicht feindselig war, zur Neutralität bewegt habt.

Es ist ein großer Gewinn, wenn ihr die Gruppe / den Sektor rechts neben eurer Seite des Spektrums zu Aktivismus bewegen könnt.

Es ist normalerweise nicht nötig, die Gegner*innen einen Schritt vorwärts zu bewegen, um zu gewinnen, obwohl das den Sieg beschleunigen könnte.

Dieses Instrument kann aufzeigen, zu welchen Themen ihr mehr Recherche betreiben solltet, weil ihr seht, wo ihr mehr wissen müsst.

• Es kann die Wichtigkeit des Einordnens einer Reihe von Leuten zeigen: Jene, die direkt von der Situation betroffen sind, Menschen, die sich als eure Verbündeten verstehen und Menschen, die Macht haben (Regierungsvertreter*innen z.B.). All diese Leute können über das gesamte Spektrum verteilt sein. Deshalb ist es wichtig, ihre Bandbreite wahrzunehmen, und wie einige von ihnen helfen könnten, eure Anstrengungen zu konzentrieren und verschiedene Aspekte Eurer Organisationstätigkeit zu unterstützen.

Achtet darauf, über welche Segmente eure Gruppe viel oder wenig weiß. Das zeigt, welche Gruppen ihr treffen solltet, um mehr über dieses Segment in dem Spektrum der Verbündeten zu erfahren. Macht einen Plan, wie ihr sie erreichen könnt.

Zum Beispiel wurde jordanischen Aktivist*innen, die für eine Ausweitung des öffentlichen Nahverkehrs kämpfen, klar, dass sie Leute einbeziehen müssten, die Busse benutzen, die sie aber nicht kannten. So gingen sie zu den Bushaltestellen und fuhren mit dem Bus, um bilaterale Gespräch mit Hunderten von Menschen zu führen, ihre Meinung und Einsichten zu hören.