Entscheidungsfindung in der Gruppe – Tipps, wie man schwierige strategische Entscheidungen fällt

Stellt euch eine Gruppe vor, die fünf wirklich solide Kampagnenvorschläge entwickelt hat. Selbst das am meisten optimistische Gruppenmitglied weiß, dass die Gruppe nicht die Kapazitäten hat, alle fünf umzusetzen. Wie kommt eine Gruppe daher von einer Mehrzahl von unterschiedlichen Vorschläge zu einer Entscheidung? Hier sind einige Tipps, die eurer Gruppe dabei helfen können.

Tipp 1: Gebt Gruppen nie lange Zeit, getrennt voneinander Vorschläge zu entwickeln.

Viele Gruppen geben Kleingruppen viel Zeit, Kampagnenvorschläge zu entwickeln, um dann in die Gruppe zurück zu kommen und sie vorzustellen, nachdem sie den Vorschlag ausgefeilt und finalisiert haben. Zum Beispiel arbeitete eine Gruppe während eines Strategietages einen halben Tag lang in Kleingruppen. Das ist oft ein Fehler, denn dann haben Menschen schon viel in ‚ihren‘ Vorschlag investiert. Das Ziel einer Entscheidungsfindung ist, dass Menschen ‚ihren‘ Vorschlag loslassen und erlauben, dass es der Vorschlag der Gesamtgruppe wird. Das bedeutet, sie von ihrem Ego zu trennen. Ihr könnt Menschen dabei helfen, diesen Abstand zu finden, indem ihr ihnen weniger Zeit gebt, an dem Vorschlag zu arbeiten. Lasst sie rasch zurückkommen und ihre Ideen vorstellen. Anschließend, wenn sie Feedback von der ganzen Gruppe bekommen haben, können sie wieder in die Kleingruppe zurückgehen und weiter an der Ausarbeitung arbeiten.

Tipp 2: Vermeidet zu viel Diskussion in der Großgruppe, verwendet viel Kleingruppenarbeit.

Dies gilt vor allem für die Anfangsphasen des Prozesses. Die meisten Entscheidungsfindungen sind effektiver, wenn man viel mit Kleingruppen arbeitet. Kleingruppen erlauben mehr Menschen, zu sprechen, sich auszudrücken und sich wirklich gegenseitig zuzuhören. Das ist sehr nützlich, wenn die Gruppe eine Entscheidung fällen will.

Alternativen zu Großgruppen sind:

  • Sich zu Kleingruppen aufzuteilen, um bestimmte Aufgaben zu erledigen.
  • Die Mischung nutzen, um Reflexion und Feedback zu bekommen. (The Mingle)
  • Teilnehmer*innen dazu zu bringen, einen Sketch vorzubereiten, um vorzuführen, wie sie Aktionen ausführen würden, anstatt nur darüber zu reden. (Skits)
  • Planungsinstrumente wie die Papierteller­-Herausforderung oder das Spektrum der Verbündeten zu nutzen, um alle gleichermaßen zu informieren.

Tipp 3: Trefft andere, weniger wichtige Entscheidungen, bevor ihr zu den großen Entscheidungen kommt.

Entscheidungsfindung ist eine Gewohnheit. Gruppen, die sich daran gewöhnen, kleine Entscheidungen zu treffen, werden eine Routine guter Verfahren entwickeln: Kompromisse finden, vertagen, zuhören, geltend machen und sich gegenseitig respektieren. Kleinere und unwichtigere Entscheidungen an den Anfang zu stellen, wird es leichter machen, die großen Entscheidungen zu fällen. In einer Strategiesitzung könnte die*der Moderator*in z.B. bewusst viele „Entscheidungsmomente“ einfügen, denn selbst kleine Dinge können einen Unterschied machen:

  • Die Gruppe fragen, wie lange die nächste Pause sein soll? 15, 20 oder 30 Minuten?
  • Die Gruppe eine physische Aktivität unternehmen lassen, die Entscheidungen beinhaltet, wie z.B. das Deckenspiel oder das Menü der Aufgaben.
  • Lasst die Gruppe entscheiden, welches die fünf wichtigsten Kriterien für die Auswahl der nächsten Kampagne sind, oder die drei wichtigsten Themen, auf die sie sich in der nächsten Kampagne konzentrieren wollen.

Tipp 4: Haltet, wenn immer möglich, die Übereinstimmungen fest.

Moderator*innen sollten festhalten, wenn eine Gruppe nahe dabei ist, sich zu einigen. Während einer Kampagne kamen Workshop­Gruppen zurück in die große Gruppe, um Kampagnenideen auszutauschen. Zum Beispiel könnten in dem oben skizzierten Szenario Gruppen bei extrem unterschiedlichen Plänen doch dieselben Zielgruppen und wenigstens zwei ähnliche Taktiken benennen. Das verdient eine sofortige Bestätigung durch die*den Moderator*in. Das erlaubt der Gruppe, neue Energie daraus zu gewinnen, dass sie gemeinsame Ideen und Werte hat. Gleiche Denkweisen ermöglichen es der Gruppe, miteinander verbunden zu bleiben.

Tipp 5: „Testet“ die Entscheidung, bevor ihr sie fällt.

Entscheidungsfindung ist nicht nur ein Augenblick, sondern ist eine Serie von Schritten, die jede Gruppe auf ihre eigene Art und Weise geht. Ein Schritt ist, dass die Teilnehmenden ein Gefühl dafür entwickeln, was die anderen denken. Großgruppendiskussionen können das leisten, aber eines der schnellsten Verfahren, ist eine Übung, die sich „Punktokratie“ nennt. Punktokratie anleiten: Schreibt den Titel aller Kampagnenvorschläge an die Wand. Dann gebt jeder*jedem drei Klebepunkte (oft werden kleine runde Klebepunkte verwendet, weshalb dies „Punktokratie“ genannt wird) oder fette Schreiber (um Punkte zu machen). Alle kleben oder malen dann die Punkte neben die Kampagne, die sie bevorzugen. Das ist eine Art von Abstimmung oder Meinungsumfrage. Ihr könnt alle drei Punkte einer Kampagne geben, sie auf drei unterschiedliche verteilen oder auch gar keinen der Punkte verwenden. Dieser Prozess hilft den meisten Gruppen, denn er führt dazu, dass die Einzelnen über ihre Prioritäten nachdenken und gleichzeitig sehen, wie die Gruppe als Ganze denkt. Es ist keine Entscheidung, denn es zeigt der Gruppe, wie Individuen denken und erlaubt der Gruppe, eine Entscheidung zu „testen“, bevor sie versucht, sie zu fällen.

Tipp 6: Falls das Problem ein anderes Thema ist, dann kümmert euch erst darum.

Eine Entscheidung über eine Kampagne zu fällen, ist schwierig genug. Aber falls die Gruppe einen echten Konflikt über irgendetwas anderes hat – persönliche Konflikte oder Machtdynamiken – dann wird es viel schwieriger. Falls möglich, löst diese Probleme, bevor ihr über die Kampagne entscheidet. Falls das nicht geht, tut euer Bestes, die Sache von dieser Entscheidung zu trennen. Falls ihr das nicht macht, dann könnte die gesamte Kampagne von dieser Sache beeinträchtigt werden. Falls notwendig, zieht alternative Maßnahmen der Konfliktbearbeitung in Betracht:

  • Erklärungen abgeben, d.h. Einzelnen die Möglichkeit zu geben, sich öffentlich zu Dingen zu äußern, die ihnen wichtig sind und die die ganze Gruppe hören sollte.
  • Falls es nur um eine sehr spannungsgeladene Atmosphäre geht, benutzt Team-Typen oder andere Instrumente, die es Menschen erlauben, mit Humor und Leichtigkeit die Unterschiede in der Gruppe auszudrücken.
  • Macht eine Fishbowl­-Diskussion, wo zwei Leute (die am hoffnungslosesten zerstritten scheinen) in die Mitte des Raumes kommen und dort zusammen sitzen. Lasst sie miteinander kommunizieren und versuchen, zu Lösungen zu kommen, begleitet von der liebevollen Aufmerksamkeit der ganzen Gruppe. Das erlaubt allen, unterschiedliche Meinungen zu hören und legt oft bis dahin verborgene Lösungen offen.
  • Sprecht mit Leuten außerhalb des Raumes, einschließlich Mediator*innen, Kommunikationsexpert*innen oder anderen geeigneten Personen.

 

Hier ist ein Beispiel einer zweistündigen Sitzung, um eine Entscheidung über Kampagnenvorschläge zu treffen, die die obigen Tipps einsetzt: (Die Kampagnenvorschläge wurden zuvor erarbeitet.)

  • Großgruppe: Vorstellung der Kampagnenvorschläge ( 15 Minuten)
  • Rotierende Kleingruppen, um sich jeden Vorschlag anzusehen, ihn zu prüfen, Fragen zu stellen und Feedback zu geben (30 Minuten)
  • Punktokratie: Welche Kampagne wollt ihr? (10 Minuten)
  • Pause (10 ­ 20 Minuten, bittet die Gruppe, die Länge zu entscheiden)
  • Großgruppe: Die Ergebnisse der Punktokratie ansehen und besprechen (10 Minuten)
  • Kleingruppen: Was denkt ihr, was die Gruppe tun sollte? (15 Minuten)
  • Großgruppe: Entscheidung über die Kampagne (20 Minuten)
  • Schluss: eine Übung, die die gegenseitige Wertschätzung der Gruppenmitglieder ausdrückt.

(How to facilitate meetings: the no-magic method)