Wirkungsvolle Aktionen mit starker „Aktionslogik“ entwickeln

Es gibt viele Aspekte für die Durchführung guter Aktionen. Sie können Spaß machen und kreativ sein, oder gut geplant, oder schlecht ausgeführt. Sie können viele oder wenige Menschen einbeziehen. Viele Gruppen verbringen den Großteil ihrer Zeit damit, sich solche Aktionselemente zu überlegen - und sie sind wichtig. Aber der vielleicht allerwichtigste Teil eines Aktionsplans ist die Aktion selbst, was sie ist, wofür sie steht - die Aktionslogik.

Aktionslogik ist der Grad, zu dem die Aktion für jemanden außerhalb eurer Gruppe logisch und sinnvoll ist. Sie sollte logisch sein – dies ist passiert, deshalb tun wir nun das.

Klare Argumente für Aktionslogik

Aktionslogik bedeutet, dass jemand, die*der nichts über das Problem weiß, schnell versteht, warum die Aktion stattfindet. Man muss dafür nicht viel Hintergrundwissen haben, und es ist nicht einmal nötig, dass die Leute euch unmittelbar zustimmen. Was Aktionslogik tatsächlich so wirkungsvoll macht, ist die Tatsache, dass das die überzeugendste Aktion ist.

Aktionslogik entsteht aus den Details der Situation durch wirkungsvolle, symbolische Aktionen. Hier sind ein paar bekannte Beispiele aus früheren Bewegungen:

  • Großbritannien hatte ein Monopol auf Salz aus Indien, behielt seine Herstellung und Verteilung unter strenger Kontrolle und erhob hohe Steuern. Als Reaktion darauf führte Gandhi einen 24-tägigen 385-Kilometer-Marsch zur Küste an, wo er unter Missachtung des britischen Gesetzes Salz gewann.
    Während des berühmten Marsches traf er lokale Beamte und drängte sie, die Kampagne zu unterstützen. Er nutzte diese 24 Tage voll und ganz, um neue Menschen zur Unterstützung in die Kampagne zu holen. Währenddessen fragten er und sein Team sich ständig, ob sie festgenommen würden, noch bevor sie die Küste erreichten.
    Er erreichte die Küste und stellte Salz her. Die Aktion löste eine massive landesweite Kampagne zivilen Ungehorsams aus, während derer tausende Inder*innen ihr eigenes Salz herstellten, alle mit dem Ziel, die Brit*innen zu zwingen, ihr ungerechtes Monopol aufzugeben.
  • Die Amerikanische Freihandelszone verhandelte im Geheimen ein umfassendes „Freihandels“-abkommen für den gesamten amerikanischen Kontinent. Selbst die kanadischen Parlamentarier*innen waren nicht in der Lage, eine Kopie der Vertragsentwürfe zu bekommen, einem Vertrag, von dem man annahm, dass er umwelt- und arbeitsrechtliche Bestimmungen einschränken werde.
    In Reaktion darauf beschloss eine Gruppe von kanadischen Aktivist*innen, dies kritisch zu hinterfragen. Sie hätten einen Marsch oder eine Kundgebung organisieren können, aber stattdessen entschieden sie sich für etwas viel Mutigeres: Sie kündigten öffentlich an, die Texte durch eine „gewaltfreie Durchsuchung und Beschlagnahme“ zugänglich zu machen. Ihr Plan? In die Regierungsbüros einzudringen und die Dokumente „zu befreien“, damit die Bürger*innen sie lesen konnten!
    Sie setzten die Taktik um – sie überwanden wortwörtlich Barrikaden, um die gewaltfreie Durchsuchung und Beschlagnahme zu realisieren. Und die Taktik erreichte, was Taktiken mit einer starken Aktionslogik erreichen – sie bewegten die Zuschauer*innen, Position zu beziehen. Dank effektiven Organisierens waren sie in der Lage, die kanadische Regierung nur zwei Wochen später dazu zu zwingen, die Texte zu veröffentlichen.
  • In Kenia suchte Nobelpreisträgerin Wangari Maathai nach Wegen, Frauen zu unterstützen und zu ermächtigen. Unglücklicherweise erlaubte das Patriarchat Frauen nur wenige Formen der wirtschaftlichen Selbstständigkeit. Selbst abends lange draußen zu bleiben war ein kulturelles Tabu. Daraufhin initiierte Wangari ihre berühmte Grüngürtel-Bewegung, die mit einer einfachen Taktik anfing: Frauen kamen zusammen und pflanzten Bäume. Bäume bedeuteten Leben, sie brachten die Frauen in Verbindung miteinander und sie wurden Teil eines Programms wirtschaftlicher Entwicklung.
    Die Frauen, die die Bäume pflanzten, wurden sich ihrer eigenen Macht bewusst. Sie begannen, sich gegen das Patriarchat ihres Mannes oder Vaters aufzulehnen. Sie kamen zusammen, sprachen über andere Themen und später über andere soziale Programme. Größere Forderungen bezüglich Umwelt und Menschenrechte entstanden. Dies führte schließlich zu Aktionen wie dem Freedom Corner March, bei dem Frauen elf Monate lang die Freilassung ihrer inhaftierten Söhne und Mehrparteienwahlen forderten.

Man bemerke die Logik hinter jeder Aktion. Die Aktion sprach die spezifische Ungerechtigkeit an. Es ist nicht erlaubt, Salz herzustellen? Dann machen wir das. Es ist nicht erlaubt, Dokumente einzusehen? Wir holen sie uns selbst. Keine Freiheit, deine eigene Zukunft zu gestalten? Geh‘ einen Schritt nach vorn, Baum für Baum.

Dies unterscheidet sich sehr von der Welt des Protests, wo auf eine Ungerechtigkeit lediglich mit einer Kundgebung, einem Marsch oder einer Petition geantwortet wird. Stellt euch vor, dass die britische Regierung euch nicht erlaubt, Salz herzustellen. Dann … organisiert ihr eine Kundgebung mit der Forderung, dass sie ihre Politik ändert? Sie würde warten, bis die Hitze des Moments verflogen ist und fröhlich ihre Politik fortsetzen.

Die klarste Aktionslogik stellt die Machthabenden vor eine Zwickmühle – von manchen auch „Dilemma-Demonstrationen“ genannt. Zum Beispiel das Freihandelsabkommen. Die Öffentlichkeit stellte sich auf die Seite der Aktivist*innen, weil ihre Forderung dem weithin geteilten Wert der Transparenz entsprach. Der kanadische Premierminister war deshalb in die Enge getrieben. Er hätte ein Problem, wenn er die Dokumente veröffentlichte, aber wegen des Drucks der Menschen, die versuchten, die Büros zu durchsuchen, hätte er noch größere Probleme, wenn er es nicht tat. Diese Aktionen stellen die Machthabenden vor ein Dilemma.

Nehmt einen Teil eurer Vision und setzt ihn heute um

Wie also erreicht man eine gute Aktionslogik? Aktionslogik beginnt mit einem Teil eurer Vision. Überlegt, wie ihr diesen Teil auf eine Art und Weise umsetzen könnt, die euer Ziel in die Defensive drängt. Verhaltet euch, als ob die Vision heute schon Wirklichkeit sei. Es könnte illegal sein, wie die Herstellung von Salz oder das Beschlagnahmen von Dokumenten, oder es könnte schlicht nicht Teil des Systems sein. Wichtig ist, dass ein Teil eurer Vision dadurch heute umgesetzt wird.

Ein aktuelles Beispiel von der Arbeit von 350.org: Die Pacific Warriors, eine Aktionsgruppe von Einwohner*innen pazifischer Inseln, unternahmen eine mutige Aktion mit einer klaren Logik. Im Oktober 2014 stellten sie sich der Kohleindustrie entgegen, die ihre Heimat direkt bedrohte, indem sie einen Klimawandel verursachte, der ihre Inseln unter Wasser zu setzen drohte. Ihr Ziel: der größte Kohleexporteur der Welt, Newcastle in Australien.

Mit handgeschnitzten Kanus fuhren die Warriors zusammen mit Dutzenden von Australier*innen in Kajaks in den Hafen. Mit den Kanus hinderten sie zehn Schiffe, den Newcastle Kohlehafen zu durchfahren.

Die Warriors standen erhobenen Hauptes da und ihre Nachricht war laut und deutlich zu vernehmen: Wir ertrinken nicht still und leise, wir kämpfen. Und sie taten es nicht nur mit Worten, sondern mit dieser Aktion. Das ist Aktionslogik!

Jetzt plant eure Aktionen mit mehr Logik!